EXTENDED REALITY. Wer mit Philipp Hummel und Manuel Ackermann spricht, erkennt schnell: Die Zukunft der Fabrikplanung ist nicht nur digital, sondern vor allem erlebbar. Die beiden Gründer der XRify GmbH, 2024 als Ausgründung eines Forschungsprojekts der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt entstanden, begeistern sich für alles rund um Extended Reality (XR) – und arbeiten daran, diese Begeisterung Unternehmen aus Mainfranken zugänglich zu machen.
Wer schon einmal einen alten Fabrikplan in 2D gesehen hat – egal, ob als Planrolle, PDF, Excel- oder PowerPoint-Datei – kennt die Tücken: Oft kursieren verschiedene Versionen, die nicht aktualisiert werden. „Das ist klassisches Silo-Denken“, erklärt Philipp Hummel (28). Die Folgen: Fehler, ineffiziente Prozesse, Ressourceneinsatz nach Bauchgefühl statt mit System – und immer wieder teure Nachbesserungen. Am günstigsten wäre es, Fehler schon in einem frühen Stadium, idealerweise in einem digitalen Abbild der Fabrik, zu erkennen.
Hier setzt XRify an – mit dem Ziel, einen „Single Point of Information“ zu schaffen. „Eine Planungsgrundlage, eine Datei, einen Punkt der Wahrheit“, wie Hummel es nennt. Jeder, der an der Planung beteiligt ist, arbeitet mit dem gleichen, stets aktuellen „digitalen Zwilling“ und kann diesen sogar interaktiv mit einer Augmented-Reality-Brille erleben und diskutieren. Die reale Welt wird dabei mit digitalen Inhalten überlagert. So werden Engpässe leichter sichtbar, Kommunikationsbarrieren abgebaut und Planungsfehler frühzeitig vermieden. Kurz: Fabrikplanung wird zur Teamleistung.
Der „Full Virtual Integration Process“
Das Herzstück von XRify ist der sogenannte „Full Virtual Integration Process“, der Fabrikplanung begehbar und erlebbar macht. Zunächst wird die reale Produktionsumgebung mit einem LiDAR-Scanner erfasst. Aus diesen Daten entsteht ein detailliertes 3D-Modell, das durch Informationen von Maschinenherstellern oder bestehende Pläne ergänzt wird. Im nächsten Schritt simuliert XRify Abläufe und Szenarien – also, was wann in der Fabrik passiert und wie sich Prozesse verändern, wenn neue Anlagen installiert werden.
Der Clou: Diese Simulationen können über eine AR-Brille wie die „HoloLens 2“ direkt betrachtet werden. Und zwar von allen Stakeholdern: von der Geschäftsleitung bis zu den Mitarbeitenden auf dem Shopfloor. Werden Probleme erkannt, lassen sich Änderungen jederzeit im Modell vornehmen, der Planungsprozess wird dadurch schlanker und transparenter.
Die XRify GmbH wurde 2024 gegründet, geboren aus Forschung, getragen von Neugier und Freundschaft. Wie kam es dazu? Hummel, aus Veitshöchheim stammend, absolvierte nach dem Abitur 2015 eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker und begann nach kurzer Berufstätigkeit ein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der THWS in Würzburg. Dort lernte er 2019 den gebürtigen Bad Mergentheimer Manuel Ackermann (33) kennen. Ackermann war zuvor vier Jahre bei der Bundeswehr und holte sein Abitur an der Abendschule nach. Beide verband nicht nur das Studium, sondern auch zahlreiche gemeinsame Projekte sowie die Vertiefungen Mechatronik und Produktion.
Die Initialzündung zur Gründung von XRify kam aus der Forschung: Im Rahmen des Projekts PlanAR an der THWS schrieb Hummel seine Bachelorarbeit. Die zentrale Frage: Wie lassen sich Materialflüsse und Anlagenplanung mithilfe von Extended Reality (XR) optimieren und wie könnte daraus ein Geschäftsmodell entstehen? Damit war der Grundstein gelegt. Professor Volker Bräutigam, ihr Mentor, späterer Investor und Industriepartner, erkannte das Potenzial und ermutigte seinen Studenten zur Gründung – ein Gedanke, der Hummel nicht mehr losließ und den auch Ackermann unterstützte, der dafür sogar ein Jobangebot nach dem Studium ausschlug.
Ganzheitliche Dienstleistung statt Software
Im Gegensatz zu vielen Wettbewerbern versteht sich XRify nicht als reiner Softwareanbieter, sondern als Dienstleister. „Der Kunde bekommt ein Gesamtpaket von uns“, so Hummel. Vom ersten Scan über Modellierung, Simulation, AR-Erlebnis bis hin zu Beratung und Prozessoptimierung, alles aus einer Hand. Das, so Ackermann, senke die Einstiegshürde für Unternehmen. Statt sich mit komplexen Tools auseinandersetzen zu müssen, erhalten sie eine maßgeschneiderte Lösung. Im Mittelpunkt steht immer der Shopfloor, also der Ort, „wo die Action passiert“, wie Hummel es formuliert. Das bedeutet: Auch das Know-how der Beschäftigten wird integriert und ihre Bedürfnisse werden berücksichtigt.
Für Hummel und Ackermann war die Wahl der GmbH als Rechtsform schnell klar: Denn sie signalisiere Vertrauen und Stabilität, gerade gegenüber Partnern und Kunden. Und die beiden XRify-Gründer sind mit ihrer Arbeit nicht allein. Weitere Gesellschafter wie optING Value Consulting, die T&O Group und Trips Group bringen wertvolle Netzwerke und Expertise ein.Trotzdem ist der Markt noch jung. Die Skepsis traditioneller Industrieunternehmen gegenüber neuen Technologien wie AR sei spürbar. Hummel bringt es auf den Punkt: „Was der Welt noch fehlt, sind Anwendungsfälle.“ Doch XRify ist vielseitig aufgestellt. Aktuelle Kooperationen reichen vom Immobilienmakler, für den das Start-up virtuelle Rundgänge entwickelt, bis zum mittelständischen Metallbauer, der XR für Investitionsentscheidungen nutzt.
Ihre Wachstumsstrategie? XRify ist das Ergebnis von Forschungsarbeit und möchte auch weiterhin gemeinsam mit der Forschung wachsen, sagt Ackermann. Das Start-up setzt somit darauf, aus dieser Zusammenarbeit neue Anwendungen zu entwickeln und weitere Potenziale zu erschließen, um Unternehmen einen echten Mehrwert zu bieten – zum Beispiel im Rahmen des KMU-innovativ Projekts XRAP mit dem Ziel der Entwicklung eines XR-Assistenten für Rüstvorgänge in der Produktion.
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Das Unternehmen
XRify GmbH
Am Kirschberg 6
97218 Gerbrunn
Die Personen
Jan Philipp Hummel, Manuel Ackermann
Die Idee
Klassische Fabrikplanung durch einen digitalen Zwilling ersetzen und allen Beteiligten mittels AR erlebbar machen
Größte Herausforderung
Traditionelle Industrieunternehmen begegnen neuen Technologien wie AR oft noch mit Skepsis
Pläne
Weiter eng mit der Forschung zusammenzuarbeiten, um innovative Anwendungsfälle zu entwickeln und so das Wachstum und die Akzeptanz von AR-Lösungen in der Industrie voranzutreiben