EU hat sich auf ein weiteres Sanktionspaket geeinigt
Elftes Sanktionspaket in Kraft
Die Staaten der Europäischen Union haben am 23. Juni ein elftes Paket mit Sanktionen gegen Russland beschlossen. Mit dem neuen Maßnahmenbündel will die EU die bereits verhängten Sanktionen gegen Russland besser umsetzen und effektiver gegen die Sanktionsumgehung vorgehen, wie der Europäische Rat mitteilte. Das neue Paket umfasst Strafmaßnahmen gegen 87 Organisationen aus verschiedenen Ländern, die laut Brüssel die russische Rüstungsindustrie unterstützen. Neben den bereits in der EU-Sanktionsliste aufgeführten russischen und iranischen Organisationen betrifft dies nun auch Organisationen aus China, Usbekistan, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Syrien und Armenien. Außerdem wurden 71 Einzelpersonen und 33 Einrichtungen aus Russland mit Sanktionen belegt. Neu auf der Sanktionsliste sind z. B. Tatjana Schewzowa, die stellvertretende Verteidigungsministerin Russlands; Alexander Gussew, der Gouverneur der Region Woronesch; Weniamin Kondratjew, der Gouverneur der Region Krasnodar; Wladimir Wladimirow, der Gouverneur der Region Stawropol; Wladimir Solodow, der Gouverneur der Region Kamtschatka; General Alexander Lapin, der Stabschef des russischen Heeres; Michail Leontjew, der Pressesprecher des staatlichen Ölkonzerns Rosneft, sowie mehrere Geschäftsleute und Medienschaffende. Sanktioniert wurden auch das Swerdlow-Werk Dserschinsk (gehört zum staatlichen Technologiekonzern Rostec), das private Militärunternehmen Wagner (Wagner-Gruppe) sowie mehrere russische IT-Firmen.
Letztes Mittel
Mit dem neuen Sanktionspaket hat der Europäische Rat sich selbst de facto die Befugnis erteilt, Sekundärsanktionen gegen Nicht-EU-Unternehmen zu verhängen, die Russland bei der Umgehung der Handelssanktionen helfen. Außerdem sicherte sich die EU erstmals das Recht, den Handel mit bestimmten Drittländern zu beschränken, wenn die EU-Beamten der Meinung sind, dass über diese Länder sanktionierte europäische Güter nach Russland gelangen. Dieses neue Instrument gegen Umgehungen soll allerdings nur als letztes Mittel zum Einsatz kommen: Die EU-Staaten wollen vorrangig auf individuelle Maßnahmen gegenüber den betreffenden Drittländern statt auf Strafen setzen. Nur wenn Diplomatie oder „verstärkte technische Hilfe“ für betreffende Länder nicht das gewünschte Ergebnis bringen sollten, könnten gezielte Einzelmaßnahmen gegen juristische und natürliche Personen aus diesen Ländern verhängt werden. Nach der Verhängung solcher Einzelmaßnahmen müsse die EU wieder einen „konstruktiven Dialog“ mit dem betreffenden Drittland aufnehmen, um weitere Umgehungen zu verhindern, hieß es. Wenn diese Bemühungen ohne Erfolg bleiben, sieht sich die EU berechtigt, als „letztes Mittel“ die Lieferung bestimmter Güter in das betreffende Drittland zu beschränken. Das gilt sowohl für Dual-Use-Güter und -Technologien wie auch für Güter, die zur Weiterentwicklung von militärischen, technologischen oder industriellen Kapazitäten Russlands beitragen können.
Neue Kriterien
Die Europäische Union hat ihre Kriterien für die Verhängung individueller Sanktionen erweitert. So wurde ein neues Kriterium für diejenigen russischen IT-Unternehmen eingeführt, die über eine kryptografische Lizenz des Inlandsgeheimdienstes FSB oder eine Lizenz des russischen Industrie- und Handelsministeriums für Waffen und Militärgerät verfügen. Außerdem wurde das Kriterium ergänzt, welches Strafmaßnahmen wegen Beteiligung an der Sanktionsumgehung vorsieht: Hierunter können nun auch Personen aus Drittländern fallen, wenn sie die Umsetzung von EU-Sanktionen „erheblich behindern“. Als Beispiele dafür nennt der EU-Rat den Erwerb von sanktionierten Gütern durch Unternehmen aus Drittländern zum Zweck ihres Weiterverkaufs nach Russland, die Gründung von Unternehmen zum Zweck der Lieferung solcher Güter nach Russland, eine wesentliche Umsatzsteigerung von Unternehmen aus Drittländern, die in solche Lieferungen involviert sind, sowie eine „Beteiligung russischer Personen in jeder Etappe“.
Einfuhrverbot für Eisen und Stahl
Mit dem elften Sanktionspaket wurden die Einfuhrbeschränkungen für Eisen- und Stahlerzeugnisse verschärft. Wer Eisen- und Stahlerzeugnisse, die in einem Drittland verarbeitet wurden, einführen will, muss den Nachweis erbringen, dass die verwendeten Vorleistungen nicht aus Russland stammen.
Im Rahmen der Verordnung (EU) 833/2014 gilt ab dem 30. September 2023 ein Einfuhrverbot und zudem besteht ein Kauf- und Beförderungsverbot gemäß Art. 3g für Eisen- und Stahlerzeugnisse, wenn sie ihren Ursprung in Russland haben oder aus Russland ausgeführt wurden. Gemäß Art. 3 g Abs. 1 lit. d erstreckt sich das Einfuhrverbot ab dem 1.Oktober 2024 auch für aufgeführte Erzeugnisse bestimmter KN- Codes auf Waren des Anhangs XVII, sofern diese in einem Drittland unter Verwendung von Gütern aus dem Anhang VII, die russischen Ursprungs sind, verarbeitet wurden.
Zum Zeitpunkt der Einfuhr von Gütern des Anhangs XVII aus Drittländern sind somit Nachweise über die Ursprungsländer der Produkte erforderlich. Auf der Webseite des Deutschen Zolls wurden nun weitere Informationen veröffentlicht: Als geeignete Nachweisdokumente können neben den von der Kommission der Europäischen Union vorgeschlagenen sog. Mill Test Certificates unter anderem auch Rechnungen, Lieferscheine, Qualitätszertifikate, Langzeitlieferantenerklärungen, Kalkulations- und Fertigungsunterlagen, Zolldokumente des Ausfuhrlandes, Geschäftskorrespondenzen, Produktionsbeschreibungen, Erklärungen des Herstellers oder Ausschlussklauseln in Kaufverträgen anerkannt werden, aus denen der nichtrussische Ursprung der Vorprodukte hervorgeht.
Weitere Informationen dazu sind in den FAQs. Weitere Infos auch auf der Zollseite.
Hierzu siehe weitere Erläuterungen in unserer News und dem Update hierzu und dem zweiten Update hierzu.
Russische Anhänger verbannt
Das elfte Sanktionspaket untersagt den Transit über Russland von zahlreichen Gütern und Technologien, die aus der EU in Drittländer ausgeführt werden und zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands beitragen oder in der Luft- oder Raumfahrtindustrie eingesetzt werden können. Außerdem wurde das seit April 2022 geltende Verbot für russische Güterkraftverkehrsunternehmen, Waren in die EU zu befördern, um das Einfuhrverbot für Lastkraftwagen mit russischen Anhängern oder Sattelanhängern ergänzt.
Einlaufverbot für Schiffe verschärft
Seit dem 24. Juni verbietet die EU den Zugang zu ihren Häfen und Schleusen für Schiffe, die Umladungen zwischen Schiffen (Ship-to-Ship) vornehmen, wenn die zuständige Behörde eines Mitgliedstaates den begründeten Verdacht hat, dass diese Schiffe gegen das seit dem 5. Dezember 2022 geltende Einfuhrverbot der EU für per Schiff transportiertes russisches Rohöl oder gegen das seit dem 5. Februar 2023 geltende Einfuhrverbot der EU für per Schiff transportierte russische Ölprodukte verstoßen bzw. russisches Öl oder Ölprodukte, die zu einem Preis oberhalb der festgesetzten Preisobergrenzen (60 US-Dollar pro Barrel Rohöl, 45 bzw. 100 US-Dollar pro Barrel Ölprodukte) erworben wurden, in Drittländer befördern. Schiffen, die es versäumen, der zuständigen Behörde eine Umladung zwischen Schiffen innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone des betreffenden Mitgliedstaats bzw. innerhalb von zwölf Seemeilen von der Basislinie der Küste des Mitgliedstaats mindestens 48 Stunden im Voraus zu melden, darf kein Zugang zu Häfen der EU gewährt werden. Dies gilt auch für Schiffe, die beim Öltransport ihr Schiffsortungssystem AIS manipulieren oder abschalten.
Beschränkungen für Druschba-Öl
Die Europäische Union hatte bereits Ende 2022 ein Embargo gegen Ölimporte aus Russland verhängt. Eine Ausnahmeregelung erlaubte jedoch, russisches Öl über den nördlichen Strang der Druschba-Pipeline nach Deutschland und Polen einzuführen. Mit dem Inkrafttreten des elften Sanktionspakets wurde diese Möglichkeit nun beendet. Der über Belarus führende Nordstrang war ursprünglich für die Versorgung Polens, Deutschlands, Lettlands und Litauens mit Erdöl bestimmt. Die Einfuhr von Öl mit Ursprung in Kasachstan oder in einem anderen Drittland, das über die Druschba-Pipeline durch Russland geleitet wird, ist weiter erlaubt. Auch über den südlichen, über die Ukraine führenden Strang der Pipeline darf Erdöl weiterhin nach Tschechien, in die Slowakei und Ungarn strömen.
Energie
Das neue Maßnahmenpaket verlängert die Ausnahme von der Ölpreisobergrenze für russisches Öl, das nach Japan geliefert wird. Der Preisobergrenzenmechanismus sieht vor, dass einzelne Projekte, die für die Energieversorgung bestimmter Drittländer von wesentlicher Bedeutung sind, von der Preisobergrenze ausgenommen werden können. Die Ausnahmeregelung für das Projekt Sachalin 2, das seinen Standort in Russland hat, soll bis zum 31. März 2024 verlängert werden, um die Energieversorgung in Japan entsprechend den Bedürfnissen des Landes zu sichern. Außerdem wurden strenge Ausnahmen von den bestehenden Ausfuhrverboten eingeführt, um Wartung und Betrieb der Pipeline CPC (Caspian Pipeline Consortium), die kasachisches Öl über Russland in die EU transportiert, zu ermöglichen.
High-Tech und Maschinenbau
Die Europäische Union hat die Liste der Güter erweitert, die zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands beitragen und deshalb nicht nach Russland ausgeführt werden dürfen. Dazu gehören etwa elektronische Bestandteile, Halbleitermaterialien, Ausrüstung für die Herstellung und das Testen elektronischer integrierter Schaltungen und gedruckter Schaltungen, optische Bestandteile, Navigationsinstrumente u. a. m. Außerdem wurde die Liste der Feuerwaffen und ihrer Teile ergänzt, die Exportbeschränkungen unterliegen. Der Verkauf, die Lizenzierung, die Übertragung oder die Weitergabe von Rechten des geistigen Eigentums und von Geschäftsgeheimnissen, die im Zusammenhang mit sanktionierten Gütern und Technologien verwendet werden, wurden verboten. Wie es heißt, soll dadurch verhindert werden, dass die betreffenden Güter „einfach außerhalb der EU hergestellt“ werden. Das Ausfuhrverbot für Luxusfahrzeuge (ab 50.000 Euro pro Einheit) wurde auf alle Neu- und Gebrauchtwagen ab einer Motorgröße von 1.900 cm³ sowie auf alle Elektro- und Hybridfahrzeuge ausgeweitet. Außerdem wurde ein vollständiges Verbot für die Lieferung „bestimmter Arten von Maschinenbauteilen“ eingeführt. Hiervon ausgenommen sind nur diejenigen technischen Anlagen, die für den Betrieb von U-Bahn-Wagen der Budapester Linie 3 erforderlich sind und die 2018 vom russischen Maschinenbauunternehmen Metrowagonmasch geliefert wurden.
Finanzen und Dienstleistungen
Lockerungen wurden für europäische Halter von Aktienzertifikaten beschlossen, denen russische Wertpapiere zugrunde liegen. Sie können nun bis zum 25. September bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats die Genehmigung beantragen, die mit der Umwandlung des Aktienzertifikats und dem Verkauf der zugrunde liegenden Wertpapiere verbundenen Gelder zu bekommen. Außerdem hat der Europäische Rat bestimmten sanktionierten Personen und Unternehmen es ermöglicht, die Genehmigung für die Übertragung ihrer Vermögenswerte auf separate europäische Strukturen zu beantragen, die unter bestimmten Bedingungen als nicht sanktioniert gelten sollen. Der Rat hat auch die Bereitstellung bestimmter Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen an diese Organisationen erlaubt, sofern die zuständigen Behörden feststellen, dass diese Gelder bzw. wirtschaftliche Ressourcen für den Kauf, die Einfuhr oder den Transport von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Lebensmitteln, einschließlich Weizen und Düngemitteln, erforderlich sind. Abweichend von Artikel 5n können die zuständigen Behörden der EU die weitere Bereitstellung von Rechtsberatung für in Russland gegründete juristische Personen bis zum 31. März 2024 genehmigen, wenn diese für den Abzug von Investitionen aus Russland oder die Abwicklung von Geschäftstätigkeiten in Russland erforderlich ist.
Medienverbote
Der Europäische Rat hat beschlossen, die Sendelizenzen für die russischen TV-Kanäle RT Balkan, Oriental Review, Tsargrad, New Eastern Outlook und Katehon in der EU auszusetzen. Journalisten der betroffenen Medien dürfen weiter in der Union arbeiten.
Quelle: AHK Russland
Weitere Informationen in der VO 2023/1214.
Weitere Informationen in der Pressemitteilung der EU-Kommission.