Die Geschäftsführerinnen Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) Carolin Keller und Frau Dr. jur. Claudia Philipp sind seit über 10 Jahren bei der der atarax Unternehmensgruppe. Frau Keller ist für die strategische Beratung der Großkunden und für die Bereiche Innovation und Qualitätsmanagement zuständig. Zudem leitet sie unsere Niederlassung in Würzburg. Frau Dr. jur. Claudia Philipp leitet den Hauptsitz in Herzogenaurach und ist für die Bereiche Datenschutz international und Datenschutz Marketing sowie Compliance und Risikomanagement zuständig.
Frau Dr. Philipp, durch das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz setzt die Bundesregierung EU-Recht um. Um was genau handelt es sich dabei?
Durch das Gesetz sollen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Unternehmen und öffentlichen Stellen, die Informationen über Missstände an ihren Arbeitgeber weitergeben wollen, besser geschützt werden. Vor allem die Identität des Whistleblowers darf hierdurch ausschließlich in der jeweiligen Meldestelle bekannt sein. Repressalien gegen den Hinweisgeber, wie zum Beispiel Mobbing, Übergehen bei der Beförderung oder Kündigung sind verboten. Die neu geschaffenen vertraulichen betrieblichen Meldewege bieten den Beschäftigten nun zusätzliche interne Anlaufstellen. Mit dem Gesetz wird jetzt endlich die sogenannte EU-Whistleblower-Richtlinie umgesetzt, so dass der Hinweisgeberschutz klar geregelt ist und nicht mehr nur auf Rechtsprechung beruht.
Welche Unternehmen sind künftig betroffen?
Das Gesetz gilt für alle Unternehmen ab 50 Beschäftigten. Unternehmen ab 249 Beschäftigten müssen sogar zeitnah tätig werden, da für sie die verlängerte Übergangsfrist bis zum 17.12.2023 nicht gilt. Für die Unternehmen ab 50 Beschäftigten ist trotz Übergangsfrist eine frühzeitige Umsetzung zu empfehlen, damit die Systeme zum geforderten Zeitpunkt auch sicher funktionieren. Letztlich sollten selbst Unternehmen, die gesetzlich nicht zum Einsatz von Hinweisgebersystemen verpflichtet sind, darüber nachdenken, ob sie nicht solche vertraulichen Meldewege anbieten wollen. Denn der Vorteil für die Unternehmen liegt darin, dass unter Umständen auch ohne Einbindung externer Stellen (z. B. Polizei, Bundeskartellamt) bereits im Vorfeld falsche Verdächtigungen aufgeklärt oder Unregelmäßigkeiten beseitigt werden können.
Auf was müssen sich Firmen konkret einstellen? Welche Maßnahmen sollten (bzw. müssen) Unternehmen treffen?
Jedes Unternehmen ab 50 Beschäftigten muss eine interne Meldestelle einrichten. Dabei hält sich der Umsetzungsaufwand sowohl in finanzieller als auch in organisatorischer Hinsicht in Grenzen – eine teure Software ist nicht erforderlich. Das System lässt sich schnell und problemlos integrieren. Es muss jedem potentiellen Whistleblower im Unternehmen die Möglichkeit eröffnet werden, schriftlich, mündlich oder auf Wunsch im Rahmen eines persönlichen Treffens vertraulich einen Hinweis geben zu können. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die im Gesetz geforderten Mindestanforderungen an ein solches Hinweisgebersystem - vor allem die Wahrung der Vertraulichkeit, Dokumentation und Einhaltung von Fristen - eingehalten werden. Die Meldestelle kann durch einen externen Dienstleister oder durch Beschäftigte des Unternehmens betreut werden. Die Auswahl interner Beschäftigter ist aber oftmals schwierig, da hier genau darauf geachtet werden muss, dass Interessenskonflikte ausgeschlossen werden und eine gewisse Unabhängigkeit gewährleistet werden muss.
Welche Verstöße dürfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter künftig melden?
Sowohl Verstöße gegen EU-Recht als auch Verstöße gegen nationales Recht können gemeldet werden. Bei den Meldungen kann es sich um kleinere Delikte, wie z. B. Bagatelldiebstähle, handeln. Es geht aber auch hin bis zur organisierten Kriminalität wie z. B. im Bereich Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung. In der Praxis kann es auch zur Meldung von Verstößen gegen interne Vorgaben (z. B. Unternehmensrichtlinien) kommen.
Welche Sanktionen drohen den Firmen bei Nichtbeachtung oder Zuwiderhandlung?
Je nach Art, Größe und Schwere des Verstoßes drohen Bußgelder in Höhe von 20.000 bis 100.000 Euro. Mögliche Verstöße sind zum Beispiel eine fehlende interne Meldestelle, die Verletzung der Vertraulichkeit bei der Kommunikation mit dem Hinweisgeber oder Repressalien gegen den Hinweisgeber. Bei Repressalien gegen den Hinweisgeber kann es zusätzlich zum Bußgeld auch zu Schadensersatzansprüchen des Hinweisgebers kommen.
Wie ist das Gesetz abschließend zu bewerten?
Das Gesetz ist eine Chance für Unternehmen Unregelmäßigkeiten intern zu bereinigen und das eigene Verbesserungspotential auszuschöpfen. Allerdings braucht es bei der Betreuung der Meldewege viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung, daher ist die Einschaltung von qualifizierten Compliance-Experten zu empfehlen. Der Aufbau eines Hinweisgebersystems zur internen Bereinigung von Verstößen trägt maßgeblich zu einem funktionierenden Compliance-Management-System bei.
Vielen Dank!
Interview: November 2022
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Hier können Sie sich zur Veranstaltung anmelden: https://events.wuerzburg.ihk.de/GF-Whistleblowing