Bundesverfassungsgericht: Verzinsung mit jährlich 6 % verfassungswidrig

Die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen in § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ist verfassungswidrig, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 ein Zinssatz von monatlich 0,5 %, mithin 6 % jährlich, zugrunde gelegt wird.

Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 08. Juli 2021 (1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17) entschieden. Die Verzinsung von Steuernachforderungen mit einem Zinssatz von monatlich 0,5 % nach Ablauf einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten stelle eine Ungleichbehandlung von Steuerschuldnern, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt wird, gegenüber Steuerschuldnern, deren Steuer bereits innerhalb der Karenzzeit endgültig festgesetzt wird, dar. Das Bundesverfassungsgericht stuft diese Ungleichbehandlung gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG für in die Jahre 2010 bis 2013 fallende Verzinsungszeiträume noch als verfassungsgemäß ein, für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume dagegen als verfassungswidrig. Ein geringere Ungleichheit bewirkendes und mindestens gleich geeignetes Mittel zur Förderung des Gesetzeszwecks bestünde insoweit in einer Vollverzinsung mit einem niedrigeren Zinssatz.

Aufgrund des einheitlichen Regelungskonzepts des Gesetzgebers umfasst die Unvereinbarkeit der Verzinsung nach § 233a AO mit dem Grundgesetz ebenso die Erstattungszinsen zugunsten der Steuerpflichtigen.

Für Verzinsungszeiträume vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2018 ist das bisherige Recht weiterhin anwendbar. Für ab in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume sind die Vorschriften jedoch unanwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.

BVerfG, Beschluss vom 08. Juli 2021 (1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17)