Die perfekte Balance zwischen Familie, Beruf und Me-Time gibt es nicht, sagt Meliz Winter. Wie sie zusammen mit ihrem Mann dennoch einen Weg gefunden hat, Familienalltag und berufliche Selbstständigkeit unter einen Hut zu bringen, beschreibt sie in diesem Gastbeitrag.
In der Schwangerschaft hatte ich ganz klare Vorstellungen davon, welche Art Mutter ich sein wollte. Was für eine Frage auch! Ganz klar: eine coole, hippe „Working Mum“. Ich wusste, dass man ein ganzes Dorf dazu braucht, um ein Kind großzuziehen – vor allem dann, wenn Frau arbeiten möchte. Dann kam unsere Kleine auf die Welt, wir haben unser Dorf gesehen und realisiert, dass wir uns als Familie auf uns selbst verlassen möchten. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass das alles machbar ist. Alles alleine rocken. Die perfekte Balance zwischen Familie, Beruf und Me-Time finden. Die gibt es – zumindest bei uns – nicht. Ich glaube, dass es sehr vielen Frauen so geht. Uns wird viel zu oft suggeriert, wir müssten alles schaffen, jeder Rolle gerecht werden. Mutter sein und Ehefrau, den Haushalt schmeißen, die benötigten Kinderklamotten im Blick haben, Play Dates vereinbaren – und das alles ganz nebenbei, weil wir ja auch Karriere machen sollen, unabhängig sein, auch mal was für uns tun. Ich habe schnell begriffen: Ich muss das nicht. Es ist nicht möglich, auf allen Partys gleichzeitig zu tanzen – zumindest nicht gleich gut. Und trotzdem schaffe ich es gemeinsam mit meinem Mann, den Spagat zwischen Familie und unserer Selbstständigkeit hinzubekommen, ohne den Spaß dabei zu verlieren.
Das Setzen von Prioritäten erleichtert es mir, den Fokus auf die mir wichtigen Dinge zu lenken und alles andere erstmal auszublenden. In meiner aktuellen Lebensphase stehen die Betreuung unseres Kinds, unsere Agentur und mein eigenes Wohlbefinden an erster Stelle. Denn nur so kann ich eine zufriedene, ausgeglichene Geschäftsführerin und Mutter sein. Konkret heißt das: Wäsche waschen? Geht auch morgen. Putzen? Können wir etappenweise. Matcha Latte nach dem Spielplatztreff ? Unverzichtbar für die abendlichen Arbeitsstunden, wenn das Kind schläft.
Die eigenen Grenzen wahrnehmen und schützen
Etwas, das mir die Mutterschaft ziemlich bald beigebracht hat und das mir tatsächlich auch im Arbeitsleben sehr zugute kommt, ist das Wahrnehmen und Schützen eigener Grenzen. Wie viele Kapazitäten habe ich heute noch? Welche beruflichen To-Dos kann ich noch guten Gewissens in meinen Tagesplan unterbringen, ohne dass das Ergebnis darunter leidet? Was brauche ich, um den nächsten Wutanfall meines Kleinkinds mit Geduld und Mitgefühl begleiten zu können? Ich finde es wichtig, sich immer wieder daran zu erinnern: Es ist okay und absolut notwendig, „Nein“ zu sagen. Grenzen zu setzen ist eine Stärke. Deswegen achte ich ganz bewusst darauf, was mir Energie gibt und was mich auslaugt. Dieses Bewusstsein hat mir geholfen, meine Kräfte besser einzuteilen und den nötigen Raum zu schaffen für Familie und Job.
Die wichtigste Grundlage dafür, dass unser Alltag funktioniert, ist die gute Zusammenarbeit mit meinem Mann. Wir führen nicht nur zusammen unsere Agentur, sondern teilen uns auch die Verantwortung für unser Familienleben. Das klappt nur, weil wir offen miteinander kommunizieren und bereit sind, Kompromisse einzugehen. Wir besprechen regelmäßig, wie wir unsere Aufgaben verteilen: Wer übernimmt heute die Betreuung? Wer hat gerade mehr beruflichen Druck und braucht Entlastung? Dieses Teamwork stärkt gleichzeitig auch unsere Beziehung. Es tut gut zu wissen, dass wir einander den Rücken freihalten, egal ob im Job oder zu Hause.
Am Ende geht es für mich also nicht darum, auf allen Partys gleichzeitig zu tanzen, sondern darum, mir die Partys selbst auszusuchen. Ich entscheide, welche Momente ich mit voller Aufmerksamkeit genießen möchte – sei es ein Meeting, das mich begeistert, ein Nachmittag auf dem Spielplatz mit meiner Tochter oder ein Abend auf der Couch mit meinem Mann. Dieser Weg ist nicht immer einfach, aber er fühlt sich für mich richtig an. Und ich hoffe, dass meine Erfahrungen andere ermutigen, ihre eigenen Prioritäten zu setzen und mit weniger Perfektionsdruck, dafür mit mehr Freude durchs Leben zu gehen. Denn vielleicht zählt am Ende gar nicht, wie viele Partys wir besucht haben – sondern, ob wir Teil der wirklich wichtigen waren.
Text:Meliz Winter
Bild: Konstantin Winter
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