Rechtliche Informationen

Barrierefreiheit

Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft und setzt damit die Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/882 um. Durch das BFSG werden Privatunternehmen verpflichtet, bestimmte Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Eine Übergangsfrist bis 2040 gibt es nur für Selbstbedienungsterminals.

Sind Sie als Unternehmer betroffen? Was müssen Sie tun? Wir geben einen Überblick zu den gesetzlichen Vorgaben.

Wann und wie sind Sie als Unternehmer betroffen?

Welche Unternehmen sind betroffen?

Unter die Anforderungen des BFSG fallen Hersteller, Händler und Importeure der oben genannten Produkte sowie die Anbieter der oben genannten Dienstleistungen.

Ausgenommen sind Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen erbringen.

Merkmal eines Kleinstunternehmens

  • Beschäftgt weniger als 10 Personen und
  • hat höchstens einen Jahresumsatz von 2 Millionen Euro oder eine Bilanzsumme von höchstens 2 Millionen Euro

Beispiele:

  • Ein Hersteller von Ventilatoren - gleich welcher Größe - ist vom Gesetz nicht betroffen. Denn Ventilatoren sind nicht in der Liste der Produkte erfasst.
  • Ein Kosmetikstudio mit 9 Beschäftigten und weniger als 2 Millionen Jahresumsatz ist nicht betroffen. Weder ist die Dienstleistung explizit erfasst noch ist das Unternehmen groß genug.
  • Ein Kosmetikstudio mit 11 Beschäftigten, das die Terminbuchung und den Verkauf von Cremes über seine Website anbietet, ist betroffen. Denn das Unternehmen ist groß genug und es bietet Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr an.
  • Ein Kosmetikstudio mit 8 Beschäftigten, das die Terminbuchung und den Verkauf von Cremes über seine Website anbietet, ist NICHT betroffen. Denn das Unternehmen bietet Dienstleistungen an und ist zu klein. Auch sind Cremes nicht in § 1 Abs. 2 BFSG gelistet.
  • Ein Produzent von Selbstbedienungsterminals mit 9 Beschäftigten ist betroffen. Denn hier geht es um ein gelistetes Produkt und nicht um eine Dienstleistungen.

Achtung:
Kleinstunternehmen, die im BFSG genannte Produkte herstellen, sind unabhängig von ihrer Größe zur Barrierefreiheit verpflichtet.

Welche Produkte sind vom BFSG betroffen?

Produkte und Dienstleistungen, für die das BFSG greift, sind im Gesetz aufgelistet.

Produkte, für die Barrierefreiheit verlangt wird

  • Hardwaresystem für Universalrechner für Verbraucher incl. Betriebssysteme (z. B. Computer)
  • Selbstbedienungsterminals, beispielsweise Geldautomaten oder Check-In-Automaten
  • Verbraucherendgeräte, die für Telekommunikationsdienste gebraucht werden (z.B. Mobiltelefone)
  • Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang (z.B. interaktive Fernseher)
  • E-Book-Lesegeräte

Dienstleistungen, für die Barrierefreiheit verlangt wird

  • Telekommunikationsdienste (Telefonie, Messenger etc.)
  • Elemente der Personenbeförderungsdienste wie beispielsweise Webseiten, Apps oder elektronische Ticketdienste.
  • Bankdienstleistungen
  • E-Book-Software
  • Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr mit Verbrauchern (z.B. E-Commerce, Online-Termin-Buchungs-Tools). Dazu gehören auch Webshops und Apps.

    Auch hier gilt jedoch die Ausnahme für Kleinstunternehmen: Shop-Betreiber, die als Kleinstunternehmen gelten, müssen die Barrierefreiheitsanforderungen in ihren Online-Shops für die Shops selbst nicht erfüllen.

    Sofern über den Shop aber eines oder mehrere der von § 1 Abs. 2 BFSG ausdrücklich erfassten Produkte angeboten werden, müssen diese selbst physisch/technisch/bedienungsbezogen barrierefrei sein.
Wie erreiche ich Barrierefreiheit?

Grundsätzlich ist für die Barrierefreiheit erforderlich, dass eine Wahrnehmung immer über mindestens zwei Sinne möglich gemacht wird.

Nach § 3 Abs. 1 BFSG sind Dienstleistungen und Produkte barrierefrei, wenn sie

  • für Menschen mit Behinderung
  • in der allgemein üblichen Weise
  • ohne besondere Erschwernis und
  • grundsätzlich ohne fremde Hilfe
  • auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.

Die Verordnung über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (bmas.de) konkretisiert die gesetzlichen Anforderungen nochmals.

Zudem enthält das Gesetz Konformitätsvermutungen (§§ 4, 5 BFSG): Entsprechen Produkte bzw. Dienstleistungen den Anforderungen von EU-harmonisierten Normen, DIN- oder ISO-Standards (technische Spezifikationen), die selbst die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllen, so gelten auch diese Produkte bzw. Dienstleistungen als „barrierefrei“ im Sinne des BFSG und der dazugehörigen Verordnung.

Wie muss mein Produkt bzw. meine Dienstleistung ausgestaltet werden?

konkrete Anforderungen

Anforderungen an Produkte

Anforderungen bei der Nutzung eines Produkts

Wer ein Produkt nutzen will, für welches das Gesetz gilt - beispielsweise ein Mobiltelefon, soll keinerlei Probleme haben. Gefordert wird

  • dass die Infos in mehr als einem sensorischem Kanal zur Verfügung stehen. Das heißt beispielsweise, dass schriftliche Infos auch vorgelesen werden.
  • dass die Infos Personen mit eingeschränkter Sehkraft verständlich sind. Dies betrifft vor allem die Größe der Schriften sowie die Kontraste.

Anforderungen zu den Informationen über ein Produkt

Infos zu einem vom Gesetz betroffenen Produkt - beispielsweise Mobiltelefon, PC oder Selbstbedienungsterminal müssen

  • ebenfalls in mehr als einem sensorischen Kanal zur Verfügung stehen. Also beispielsweise um eine Vorlesefunktion ergänzt werden,
  • auffindbar, gut wahrnehmbar und lesbar sein. (Schriftgröße, Kontraste etc.)
  • um eine Beschreibung der Benutzerschnittstellen wie Handhabung usw. ergänzt werden.

Anforderungen an Verpackungen und Anleitungen

Auch für Produktverpackungen und Anleitungen gilt,

  • dass die Infos in mehr als einem sensorischem Kanal zur Verfügung stehen.
  • die Infos müssen auch für sehbehinderte Personen verständlich sein. (Schriftgröße, Kontraste etc.)

Anforderungen an Benutzerschnittstelle und Funktionalität von Produkten

  • Die gesamte Kommunikation, Bedienung, Steuerung und Orientierung müssen über mehr als einen sensorischen Kanal möglich sein. Also beispielsweise Vorlesen zusätzlich zu Schrift.
  • Visuelle Elemente müssen in Größe, Helligkeit und Kontrast eingestellt werden können.
  • Alternative Farben müssen zur Verfügung stehen.
  • Bei Akustik muss die Lautstärke anpassbar sein.
  • Manuelle Steuerung muss auch mit wenig ausgeprägten feinmotorischen Fähigkeiten möglich sein.

Zusätzliche Anforderungen an Selbstbedienungsterminals

  • Sprachausgabe muss möglich sein.
  • Benutzung mit Einzel-Kopfhörern muss möglich sein.
  • Tasten und Bedienungselemente müssen kontrastreich sein und auch taktil erkennbar sein.

Anforderungen an E-Book-Lesegeräte

  • Auch E-Books brauchen eine Sprachausgabe

Anforderungen an Dienstleistungen

Bei Dienstleistungen, also z.B. Online-Shops, werden vor allem erhöhte Informationspflichten gestellt. Sie müssen beispielsweise

  • in mehr als einem sensorischen Kanal zur Verfügung stehen, also neben Schrift zum Beispiel Vorlesefunktion
  • sie müssen auffindbar sein
  • die Texte müssen gut lesbar sein. Dies betrifft Schriftgröße und Kontrast.
  • Die Informationen müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein.
Welche weiteren Pflichten müssen Unternehmen erfüllen?

Unternehmenspflichten

Allgemeines

Hersteller und Anbieter dürfen ihre Produkte und Dienstleistungen nur auf den Markt bringen bzw. anbieten, wenn sie Barrierefreiheitsanforderungen erfüllen. Dies müssen Hersteller in einem Konformitätsbewertungsverfahren und einer Konformitätserklärung nachweisen.

Für Händler gilt: Besteht Grund zur Annahme, dass ein Produkt die Barrierefreiheitserfordernisse nicht erfüllt, darf es nicht vertrieben werden.

Kennzeichnungspflichten

Im Zusammenhang mit den neuen Regelungen müssen Unternehmen auch besonderen Kennzeichnungspflichten nachkommen. Hersteller von Produkten müssen z.B. eine Produkt-, Typen- oder Seriennummer, sowie Name, Anschrift und CE-Kennzeichnung anbringen, zudem muss eine verständliche Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen beigefügt werden.

Händler müssen eine CE-Kennzeichnung anbringen und dürfen Produkte nur dann vertreiben, wenn die Kennzeichnungspflichten des Herstellers bzw. des Importeurs erfüllt wurden.

Dienstleistungserbringer müssen in ihren AGB darüber aufklären, wie die Dienstleistung die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt. Daneben müssen in barrierefreier Weise folgende Informationen erfolgen:

  • eine Beschreibung der Dienstleistung und
  • eine Beschreibung der Funktionsweise der Dienstleistung
Was passiert bei einem Verstoß?

Bei Verstößen gegen die Vorschriften kann es schnell teuer werden. Betroffene Verbraucher können sich selbst an die Marktüberwachungsbehörde (die Bundesländer) wenden, wenn sie einen Verstoß gegen die Vorschriften des BFSG geltend machen wollen. Auch nach Behindertengleichstellungsgesetz anerkannten Verbänden und Einrichtungen steht dieses Recht eigenständig zu.

Schließlich können auch Mitbewerber im Wege der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung gegen Verstöße vorgehen. In diesem Falle droht Unterlassung und Schadensersatz.

Werden die Erfordernisse der Barrierefreiheit nicht erfüllt, kann die Marktüberwachungsbehörde anordnen, das betroffene Produkt oder die Dienstleitung zurückzurufen bzw. einzustellen. Darüber hinaus drohen Bußgelder von bis zu 100.0000 Euro.

IHK-Veranstaltungen

IHK-Veranstaltungen

Alle Veranstaltungen der IHK Würzburg-Schweinfurt dazu, was das BFSG für Ihr Unternehmen bedeutet und was Unternehmen vorbereitend tun muss, finden Sie unter nachfolgenden Link.

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