"Nachhaltigkeit im Finanzsektor" am Beispiel der VR Bank Würzburg - Interview mit Dr. Pia Weinkamm

Dr. Pia Weinkamm, Vorständin der Volksbank Raiffeisen Bank Würzburg eG, Foto: Volksbank Raiffeisen Bank Würzburg eG

Dr. Pia Weinkamm, Vorständin der Volksbank Raiffeisen Bank Würzburg eG, Foto: Volksbank Raiffeisen Bank Würzburg eG

Dr. Pia Weinkamm ist promovierte Juristin und seit 1. Oktober 2021 bei der Genossenschaftsbank tätig, zunächst als Generalbevollmächtigte, seit April dieses Jahres als Vorständin. Davor war Frau Dr. Weinkamm fast 20 Jahre lang bei der Fürstlich Castell’schen Bank in Würzburg tätig.

Frau Dr. Weinkamm, welche Rolle spielt Nachhaltigkeit heute im Finanzsektor?

Neben dem Marktgeschehen wird Nachhaltigkeit in den nächsten Jahren der wesentliche Faktor für die Finanzbranche sein. Die EU, die Bankenaufsicht, alle wollen Finanzströme in nachhaltige Branchen respektive Projekte lenken und damit die Transition finanzieren. Die Finanzbranche wird deshalb für die entsprechenden (Anlage-)Produkte in nachhaltige Themen sorgen müssen. Gleichzeitig müssen wir Unternehmen, die wir finanzieren wollen, unterstützen, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen und weiterzuentwickeln. Wir werden also unseren Fokus auf die Beratung und Begleitung unserer Kunden zum Thema Nachhaltigkeit richten, damit diese weiterhin ausreichend Finanzierungsmittel erhalten können. Kleineren Unternehmen werden wir pragmatische Lösungen anbieten und diese damit vor einer Überforderung schützen.

Wie hat sich das Verständnis von Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren entwickelt und welche Rolle spielt das Thema für Genossenschaftsbanken?

Als ich im Jahr 2010 einen Vortrag bei einem CSR-Forum gehalten habe, wussten viele nicht, was unter Corporate Social Responsibility zu verstehen ist und andere wiederum fanden das Thema nur lästig.

Das Thema Nachhaltigkeit - oder wie auch immer es genannt wurde - dümpelte dann bis zum Beginn der Fridays for Future-Bewegung jahrelang vor sich hin. Von da an wurde wieder darüber gesprochen, allerdings sehr polarisierend. Manche fanden es gut, die anderen waren von Greta Thunberg genervt.

Parallel dazu kam dann die Regulatorik für die Finanzbranche. Es wurden Leitfäden und Richtlinien erlassen. Es gab zwar noch Übergangsfristen, aber es war schon erkennbar, dass der Kelch nicht vorüberziehen wird und man sich damit beschäftigen muss.

Spätestens seit 2021 ist allen klar, dass etwas zu geschehen hat und das auch richtig so ist. Das bis zu diesem Zeitpunkt übliche Augenrollen hat aufgehört und ein vernünftiger Austausch ist nun möglich.

Nachhaltigkeit gehört zur genossenschaftlichen DNA und wird an vielen Stellen gelebt, dennoch müssen auch wir viele Formalitäten erfüllen und uns mit dem Thema vertieft auseinandersetzen.

Es gibt über den Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) ein großes Projekt, in welchem ein gemeinsames Ambitionsniveau für alle genossenschaftlichen Institute festgelegt wurde. Konkret bedeutet dies, die genossen­schaftlichen Institute werden zusammen ihren Beitrag in der aktuellen Transitionsphase leisten und diesen mit konkreten Zielen, Kennzahlen und Maßnahmen hinterlegen und messen.

Wir erhalten sehr viel Unterstützung, was auch erforderlich ist, insbesondere wenn es um Informationstechnologie geht. Viele Anforderungen verlangen eine Datensammlung, was bedeutet, dass wir die Daten von unseren Kunden einholen und im Nachgang auch speichern und verarbeiten müssen. Und das geht heute nicht ohne entsprechende elektronische Datenverarbeitung.

Welche Auswirkungen haben die Entwicklungen im Bereich Sustainable Finance auf die Realwirtschaft, vor allem auf den Mittelstand in Mainfranken?

Im European Green Deal 2018 sind Maßnahmen in diversen Bereichen vorgesehen, die die Realwirtschaft direkt treffen (werden). Beispielhaft seien genannt die CO²-Bepreisung, der Einsatz von erneuerbaren Energien oder die Abfallminimierung. Die Finanzbranche ist nur der verlängerte Arm, diese Maßnahmen mit in die Umsetzung zu bringen.

Wie beurteilen Sie die aktuellen Entwicklungen rund um die EU-Taxonomie im Hinblick auf die Mittelstandsfinanzierung und die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit?

Der Gedanke dahinter ist grundsätzlich gut. Gleichzeitig fehlt es an Definitionen und Umsetzungsleitlinien, so dass viele nicht genau wissen, wie damit konkret umzugehen ist. Auch die Bankenbranche tut sich mit der Beurteilung schwer. Kleine Unternehmen sind zwar davon ausgenommen, aber aufgrund von Lieferketten trifft es sie dennoch und sie sind in der Regel damit komplett überfordert.

Warum sollten sich kleine und mittelständische Unternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen?

Zum einen wird es irgendwann die Kredite weiter verteuern, wenn ein ESG-Scoring eines Kunden negative Ergebnisse zeigt. Zum anderen wird es für Unternehmen, die sich nicht damit beschäftigen, schwierig werden, überhaupt eine Finanzierung zu bekommen. Finanzinstitute müssen ihre Kunden zukünftig nicht nur hinsichtlich ihrer Bonität, sondern auch betreffend Nachhaltigkeit bewerten. Daraus wird sich eine Gesamtnote ergeben und daraus wiederum die Konditionierung einer Finanzierung errechnen. Das wird sicherlich noch dauern, da bisher die Daten fehlen, aber die Anfänge sind schon erkennbar. Daneben sind Banken im Rahmen ihrer Berichterstattung verpflichtet, die Anteile „grüner“ Finanzierung im Verhältnis zu nicht nachhaltigen Finanzierungen offenzulegen. Wir werden also im Eigeninteresse manche Unternehmen nicht mehr finanzieren, die uns sozusagen „die Quote verderben“. Auch bei diesem Thema wird noch ‚viel Wasser den Main hinunterfließen‘, aber es wird kommen und daher müssen sich alle Unternehmen damit beschäftigen.

Wir werden unsere Kunden hierbei unterstützen.

Vielen Dank für das Interview Frau Dr. Weinkamm. Wir freuen uns auf die Veranstaltung mit Ihnen.

 

Frau Dr. Pia Weinkamm haben wir im Juli 2023 interviewt. 

Am 18. Oktober 2023 hat zu diesem Thema eine Veranstaltung stattgefunden.