DIHK veröffentlicht Umfrage Going International 2023

Handelshemmnisse setzen deutsche Unternehmen im Ausland zunehmend unter Druck

Handelshemmnisse in aller Welt machen den international tätigen deutschen Unternehmen zunehmend zu schaffen. Das geht aus der aktuellen Umfrage „Going International“ der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) hervor. Danach sehen sich 56 Prozent der auslandsaktiven deutschen Unternehmen mit neuen Handelshemmnissen konfrontiert. Seit Beginn der Umfrage vor 18 Jahren ist das der bislang höchste gemessene Wert unter den 2.400 befragten Unternehmen. “Im Jahr davor waren es bereits 54 Prozent. Wir sehen hier klar eine traurige Tendenz zu mehr Protektionismus”, sagt DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. “Das trifft die weltweit aktive deutsche Wirtschaft besonders hart und verhindert einen Exportaufschwung im laufenden Jahr.” Mit Ausnahme des Corona-Krisenjahrs 2021 verzeichnete die Umfrage, seitdem Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten wurde und eine zunehmend protektionistische Außenwirtschaftspolitik anstieß, eine kontinuierliche Zunahme der Hemmnisse im internationalen Geschäft. Vor 2017 hatten im Durchschnitt 35 Prozent der deutschen Unternehmen eine Zunahme der Handelshemmnisse registriert. Das war für ein Gros der Betriebe noch handhabbar. Seit 2017 liegen die Werte bei knapp 50 Prozent oder sogar darüber.

Die genannten Hürden sind dabei durchaus vielfältig: Knapp die Hälfte der Unternehmen (47 Prozent) gibt lokale Zertifizierungsanforderungen als zentrale Barrieren im Auslandsgeschäft an. Hierbei verlangen einige Länder zusätzliche Prüfungen von ausländischen Betrieben. Daneben erhöhen verstärkt Sicherheitsanforderungen bei 42 Prozent der Unternehmen den finanziellen und zeitlichen Aufwand für das Auslandsgeschäft. Ein Fünftel (19 Prozent) der Unternehmer sieht sich darüber hinaus durch Local-Content-Bestimmungen diskriminiert, also Vorgaben, die die Produktion im eigenen Land vorschreiben und ausländische Anbieter diskriminieren, wie es etwa der Inflation Reduction Act der USA vorsieht. Auch die Sanktionen gegen Russland und Belarus seitens der EU und anderer Staaten sowie die Gegensanktionen im Zusammenhang mit dem russischen Krieg in der Ukraine sorgen bei den betroffenen Unternehmen für Herausforderungen. So gibt mehr als jedes zweite Unternehmen (57 Prozent) an, im vergangenen Jahr insbesondere durch Sanktionen eine zusätzliche Hürde bei seinen internationalen Geschäften wahrgenommen zu haben, vornehmlich im Russlandgeschäft. In der Vorumfrage lag dieser Wert noch bei 24 Prozent. „Unsere Umfrage bestätigt die neue Realität, mit der wir es seit dem Angriffskrieg zu tun haben“, kommentiert Volker Treier. „Deutsche Unternehmen sehen sich einem zunehmenden Protektionismus, neuen und harten Sanktionsregimes mit hohen Befolgungskosten sowie einer sich immer mehr fragmentierenden Wirtschaftswelt ausgesetzt. Das bedeutet für sie konkret, dass für sie der Zugang zu ausländischen Märkten eine immer größere Herausforderung darstellt.”

Neben den Handelshürden in den Zielmärkten erschweren auch bürokratische Vorgaben hierzulande zunehmend das internationale Geschäft deutscher Unternehmen. So wirke das am 1. Januar 2023 in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) wie ein großes zusätzliches Handelshemmnis, so Treier: „Besonders widersinnig wird es, wenn sich selbst Unternehmen, die vom Gesetz gar nicht betroffen sein sollten, gezwungen sehen, sich proaktiv aus bestimmten Märkten zurückziehen. Das hat fatale Folgen gerade jetzt, wo es wegen der stärkeren Entkopplung der Weltwirtschaft politisch und wirtschaftlich auf Diversifizierung der Märkte, also eine breitere Streuung der Risiken, durch die Unternehmen ankommt.“ So sehen sich durch das LkSG sieben Prozent der Unternehmen mit bis zu 3.000 Beschäftigten gezwungen, sich selbst aus Märkten zurückzuziehen, um menschenrechts- und umweltbezogene Risiken zu minimieren, und sogar jedes dritte Unternehmen fürchtet einen Verlust von Zulieferern, obwohl es nach aktuellem Stand nicht unter das Gesetz fällt.

Die anhaltenden Barrieren wirken sich negativ auf die globalen Geschäfte der deutschen Unternehmen aus. Knapp jedes vierte Unternehmen (24 Prozent) rechnet mit einer Verschlechterung des Auslandsgeschäfts im laufenden Jahr, nur 15 Prozent erwarten eine Verbesserung. Bei einem Blick auf Länder und Regionen schneiden die USA noch am besten ab, 34 Prozent der Unternehmen erwarten hier für 2023 bessere Geschäfte. Demgegenüber melden in Russland nur drei Prozent der Unternehmen, in Großbritannien acht Prozent und im Asien-Pazifik-Raum (ohne China) 17 Prozent (mit China 21 Prozent) der Betriebe optimistische Geschäftsperspektiven.

Schon in der DIHK-Konjunkturumfrage zu Jahresbeginn 2023 hatten sich die Exporterwartungen der Unternehmen weiterhin gedämpft gezeigt. „Die DIHK rechnet daher mit einem realen Exportwachstum von 2,5 Prozent im Jahr 2023. Das ist ein Prozentpunkt niedriger als der Durchschnitt der 2010er Jahre“, ordnet Treier die Umfrageergebnisse ein. Um dem Negativtrend entgegenzuwirken und sich den veränderten geopolitischen Gegebenheiten anzupassen, plant jedes zweite Unternehmen (51 Prozent) die Erschließung neuer Märkte. Hier liegt der Fokus vor allem auf dem EU-Binnenmarkt (Euro-Zone 74 Prozent, Sonstige EU mit Schweiz und Norwegen 47 Prozent). Um seine Abhängigkeiten etwa von China zu reduzieren beziehungsweise die Lieferketten zu diversifizieren, setzt knapp jedes dritte Unternehmen (29 Prozent) auf die Region Asien und Pazifik. Aber auch die Märkte von Nordamerika (43 Prozent) und dort besonders den USA (35 Prozent) gewinnen zunehmend an Attraktivität. „Der Inflation Reduction Act der USA beginnt bereits seine Wirkung zu entfalten. Aussichten auf den Aus- und Aufbau von klimafreundlichen Technologien regen auch deutsche Unternehmen zu mehr US-Geschäft und Investitionen in den Staaten an. Subventionen, die an WTO-widrige Lokalisierungspflichten gebunden sind, sind allerdings schädlich für das globale Handelssystem. Mit Blick auf die handelspolitischen Forderungen, die die Unternehmen im Rahmen der Umfrage erhoben haben, fügt Treier an: „Auch wenn Multilateralismus derzeit keine Hochkonjunktur hat: Jetzt ist die Zeit, mit Freihandelsabkommen für Planungssicherheit bei den Unternehmen zu sorgen. „Wir brauchen eine neue Agenda, die auch die Aufgaben der WTO neu definiert und stärkt.“

Die kompletten Umfrageergebnisse stehen zum Download bereit.

Quelle: Pressemitteilung der DIHK vom 01.03.2023