„Würzburg beschließt den Verkehrsinfarkt“

Die IHK und der HBE kritisieren den Grundsatzbeschluss des Würzburger Stadtrats zur Radverkehrsplanung.

Mit dem Grundsatzbeschluss will der Stadtrat einen Beitrag zu einer umweltfreundlicheren Mobilität in der Stadt Würzburg leisten. Das Vorhaben stelle jedoch einen gravierenden Eingriff in den ohnehin belasteten Straßenverkehr Würzburgs dar, betonen die Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt, sowie der Handelsverband Bayern (HBE) e.V., Bezirk Unterfranken.  

Anstatt die erforderliche Mobilitätswende im Konsens und auf den Schultern aller Verkehrsträger anzustreben, belaste der Beschluss des Stadtrates ausschließlich den Pkw-Verkehr. Außerdem blende der Beschluss die Realität zu großen Teilen aus. Die Wirtschaft plädiert dafür, besser stärkere Anreize für ein verändertes Mobilitätsverhalten zu schaffen.  

Zahlen belegen hohe Abhängigkeit Würzburgs vom Umland  

Über 56.000 Berufstätige – fast zwei Drittel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (62 Prozent) – pendelten 2018 laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit täglich nach Würzburg. Rund 607 Millionen Euro fließen laut Prognose von MB-Research 2019 aus dem Umland in den Einzelhandel der Stadt Würzburg. Das entspricht rund 40 Prozent des gesamten städtischen Einzelhandelsumsatzes. Fast eine Millionen Übernachtungsgäste haben 2018 die Stadt Würzburg besucht, dazu kommen mehrere Millionen Tagesgäste.   „Diese Fakten sprechen für sich. Der Grundsatzbeschluss ist alles andere als ein Paradigmenwechsel zugunsten einer nachhaltigen Zukunftsmobilität. Vielmehr ignoriert Würzburg erneut die hohe Abhängigkeit der Stadt vom Umland“, betont Professor Dr. Ralf Jahn, Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt. „Wir als IHK weisen seit langem darauf hin, dass Verbote nicht der erste Schritt der Mobilitätswende sein können. Vielmehr braucht es attraktive und wirtschaftsverträgliche Mobilitätsangebote, um das Verkehrsverhalten positiv zu beeinflussen“, so Jahn weiter. Nur auf diesem Wege könne man die Bereitschaft der Menschen fördern, auf verschiedene Verkehrsträger zu setzen.  

Innerstädtisches Gewerbe in Gefahr  

„Der Beschluss trifft insbesondere die innerstädtischen Händler, aber auch die Dienstleister und das Gastgewerbe hart. So klagen bereits heute zahlreiche Menschen aus dem Umland und aus den Stadtteilen über eine immer schlechtere Erreichbarkeit. Unsere Kunden sind wertvoll und wir sind für sie dankbar. Es wäre schlimm, wenn sie sich nicht mehr willkommen fühlen und deshalb in andere Städte fahren, in autoorientierten Fabrikverkaufszentren einkaufen oder gleich online bestellen und dabei viele ihrer Bestellungen retournieren. Denn die Besucherfrequenz hat in den vergangenen Jahren ohnehin spürbar nachgelassen, was unter anderem Erhebungen des Beratungsunternehmens Jones Lang LaSalle zeigen“, betont Volker Wedde, Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern e.V., Bezirk Unterfranken.  

„Aus unserer Sicht werden aktuell die falschen Impulse in Sachen Verkehrsplanung gesetzt. Seit Jahren hat die Wirtschaft von der Stadt ein durchdachtes Verkehrskonzept mit einem gut ausgebauten ÖPNV und guten Park-&-Ride-Angeboten gefordert, um unsere Gäste durch mehr gleichwertige Mobilitätsoptionen das einfache Umsteigen zu ermöglichen, ohne sie dazu zwingen zu müssen oder sie durch Restriktionen abzuschrecken“, ergänzt Wedde.  

Neue Mobilitätsangebote statt Verkehrskollaps  

Sinnvoll aus Sicht von IHK und HBE sei vor allem der zügige Ausbau neuer multimodaler Mobilitätsangebote, wie etwa Mobilitätsstationen mit ÖPNV-Anschluss. Daneben sei es wichtig, niederschwellige und barrierefreie Informationsangebote über Mobilitätsoptionen einzurichten. Durch den Einsatz von verkehrslenkenden Telematiksystemen und funktionierenden „Grünen Wellen“ könne Würzburg außerdem die Verkehrsinfrastruktur effizienter gestalten und nutzbar machen. Zudem sei die Einrichtung von Park-&-Ride-Angeboten zu forcieren, um Kunden in die Stadtzentren zu bringen. Bevor der Individualverkehr weiter beschränkt wird, müsse zunächst das Angebot für umweltfreundliche Mobilitätslösungen  deutlich ausgeweitet werden, erklären die Wirtschaftsvertreter. Völlig unbeachtet bleibe zudem der Einfluss des Fernstraßenverkehrs auf Würzburg: Bei einem Stau auf der A3 blockiert der Umfahrungsverkehr bereits heute die Innenstadt. Wird der Pkw-Verkehr wie nun beschlossen weiter eingeschränkt, würde der Verkehr in der Innenstadt kollabieren. „Würzburg hat heute offiziell den Verkehrsinfarkt beschlossen“, betonen Jahn und Wedde einstimmig.

Information:
Dr. Christian Seynstahl
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E-Mail: christian.seynstahl@wuerzburg.de