Gemeinsame Positionierung von Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), Bundesverband Energiespeicher Systeme e. V. (BVES), Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK), Handelsverband Deutschland (HDE) und Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA).
Nur mit einem zügigen Umbau des gesamten Energiesystems kann die Energiewende sektorübergreifend gelingen. Da viele Akteure komplexe Entscheidungen treffen müssen, sind transparente und zügige Netzanschlussverfahren von großer Bedeutung. Um hier Fortschritte zu erzielen, ist es wesentlich, dass der Blick neben den notwendigen Novellen von Gesetzen und Verordnungen auch auf die transparente und faire Ausgestaltung der Verfahrensregeln und technischen Bestimmungen beim Netzanschluss gerichtet wird. Gerade wir als Organisationen, die vor allem Unternehmen und Anlagen “hinter dem Zähler” vertreten, haben wertvolle „Anwender-Expertise“, die wir in die Beratungen einbringen möchten.
Im Rahmen der Energie- und Wärmewende leisten unsere Unternehmen beim Ausbau von Photovoltaik, Wärmepumpen, Energiespeichern und Ladesäulen einen bedeutsamen Teil der notwendigen Investitionen. Der Netzausbau muss damit abgestimmt einhergehen, um die technische Dimensionierung und die Kosteneffizienz sinnvoll gestalten zu können. Fehlende Netzanschlusskapazitäten und Verzögerungen beim Netzanschluss werden zunehmend zum zentralen Investitionshemmnis für Unternehmen in Deutschland – das bremst die Wirtschaft auf dem Weg zur Transformation aus.
Aktuell gibt es eine Reihe von Problemen, die die Inbetriebnahme von Anlagen massiv verlangsamen bzw. Investitionen verhindern:
- Anreize für Investitionen erodieren: PV-Anlagen, Wärmepumpen, Ladepunkte oder Speicher sind gebaut, kommen aber aufgrund langwieriger Verfahren nicht ans Netz. Damit verdienen diese Investitionen kein Geld, was ihre Refinanzierung gefährdet und Anreize in weitere Investitionen zugunsten der Transformation torpediert. Zugleich wird damit der Beitrag zur Energiewende dieser Anlagen erheblich verzögert.
- Unnötige Zeitaufwände und Mehrkosten: Technische Anschlussbedingungen (TAB) und unterschiedliche Anforderungen der Verteilnetzbetreiber bei Netzanschlussverfahren (Formulare, Vorgaben, Dokumente) halten viele Unternehmen davon ab, in dezentrale Anlagen zu investieren. Kommt es dennoch zur Investitionsentscheidung, verursachen die langen Verfahren und bundesweit stark variierenden Anforderungen sowohl auf der Seite des Anschlussgebers als bei den Anschlusspetenten unnötige Zeitaufwände und Mehrkosten.
- Verzögerungsrisiko und Fristen: Netzanschlussbegehren unterliegen einem hohem Verzögerungsrisiko: Es fehlt eine klare Unterscheidung von Fristen für die Prüfung der formalen Vollständigkeit und diejenigen zur inhaltlichen Prüfung. Die Anzahl der inhaltlichen Nachforderungen ist nicht begrenzt und löst jedes Mal wieder eine Neusetzung der Frist aus, was Projekte enorm verzögert und wirtschaftlich gefährdet.
Mit dem Pakt für Beschleunigung haben sich Bundesregierung und Länder im November 2023 zu massiven Erleichterungen und Vereinfachungen bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren bekannt. Diese sollten - soweit einschlägig - auch für Anschlussbegehren an das Stromnetz gelten. Auch im Rahmen des Solarpakets I wurde die Netzanschlussproblematik bereits zum Teil angegangen. Jedoch sollten aus unserer Sicht die in diesem Brief vorgestellten Schritte gemacht werden, damit Netzanschlussverfahren schnell und bürokratiearm laufen. Konkret sehen wir – auch mit Blick auf das Solarpaket II – folgende vier Punkte:
- Verpflichtende Rückmeldefristen für Verteilnetzbetreiber und Rechtsfolgen bei Verstößen, analog zu § 52 EEG, sind sinnvolle und berechtigte Maßnahmen, die es einzuführen gilt. Die Prüfung des Netzanschlussbegehrens bis zur Netzanschlusszusage soll innerhalb einer angemessenen und verbindlichen Frist erfolgen. Formelle Nachforderungen lösen dabei die Frist zur inhaltlichen Prüfung erneut aus, dürfen aber nur ein einziges Mal gestellt werden. Sofern der Fall auftritt, dass Netzbetreiber überhaupt keine Rückmeldung zu einem Netzanschlussbegehren geben, sollte die Anlage nach einer gesetzlich festgelegten Frist als genehmigt gelten. Das Konzept der „Genehmigungsfiktion“ des Beschleunigungspakts zwischen Bund und Ländern ist hier konsequent anzuwenden.
Zudem sind Konkretisierungen von Rückmeldefristen auf der Niederspannungsebene notwendig: Die in § 19 Abs. 2 Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) festgelegte Rückmeldefrist ist verbindlicher zu formulieren. Die Mittelspannungsebene gewinnt aufgrund der wachsenden Anlagengröße eine zunehmende Bedeutung - daher brauchen wir auch auf dieser Anschlussebene verbindliche Rückmeldefristen.
- Antragsverfahren sollten vereinfacht, vereinheitlicht und in einen bundesweit einheitlichen digitalen Prozess überführt werden. Insbesondere sind Verfahrenstransparenz und klare Fristen wichtig sowie Festlegungen, welche Folgen Fristüberschreitungen haben.
- Technische Anschlussbedingungen (TAB) und Technische Anschluss-Regeln (TAR) sollten weitestgehend bundesweit vereinheitlicht werden und im Sinne von Muster-TAB bzw. -TAR für alle Verteilnetzbetreiber verpflichtend gelten. Die Anforderungen für etwaige Abweichungen hiervon sollten nicht allein über eine Begründungs- und Veröffentlichungspflicht der Verteilnetzbetreiber erfüllt sein, sondern von einer bundeseinheitlichen Prüfstelle grundsätzlich überprüft werden können, bevor sie den Anschlussnehmern auferlegt werden.
- Um den Ausbau von Photovoltaik zu beschleunigen und Netzbetreiber zu entlasten, empfehlen wir, reine Eigenverbrauchanlagen in Kundenanlagen ohne aufwändige Netzanschlussverfahren und ohne Zustimmung seitens des Verteilnetzbetreibers ans Netz anschließen zu lassen. In diesem Fall ist es ausreichend, wenn der Anlagenbetreiber sicherstellt, dass es zu keiner Einspeisung ins Netz der allgemeinen Versorgung kommt und der Netzbetreiber über die Errichtung der Anlage informiert wird. Zur Umsetzung dieses Vorschlags bedarf es außerdem einer separaten Kategorie „Eigenversorgungsanlage“ im Marktstammdatenregister. Aktuell muss formell immer 1 kWp als Einspeisung angegeben werden.
Die zentrale Maßgabe für alle Entscheidungen sollte sein, standardisierte, massenfähige Geschäftsprozesse zu etablieren, um Anlagen schnellstmöglich ans Netz und damit in den wirtschaftlichen Betrieb zu bringen. Die Netzkapazitäten und die Verzögerungen bei Netzanschlussverfahren sollten bei der Regulierung stets mitbedacht werden: Anschlussnehmer dürfen nicht mit immer schärferen Verpflichtungen zum Ausbau von Anlagen belastet werden, während die Rahmenbedingungen bei den Netzen nicht vorhanden sind.
Die Expertise unserer Organisationen bringen wir aktiv in die laufenden Prozesse rund um den Branchendialog Netzanschluss aktiv beim BMWK sowie der Bundesnetzagentur ein. Die aktuell diskutierten Änderungsvorschläge rund um verbindliche Rückmeldefristen, einheitlichere Verfahren und Anschlussauskünfte sind ein wichtiger erster Schritt und diese sollten schnellstmöglich in die Umsetzung gehen. Es braucht eine deutliche Beschleunigung und Erleichterung der Verfahren – sowohl im Sinne der Wirtschaft als auch im Sinne der Energiewende.