Am 7. Juli 2023 wurde das neue Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung vom Bundesrat beschlossen. Die neuen gesetzlichen Regelungen sollen für ausländische Fachkräfte erweiterte Möglichkeiten der Zuwanderung aus Drittstaaten bieten.
Die Regelungen treten schrittweise in Kraft:
- Die Regelungen zur Blauen Karte EU treten zum 18. November 2023 in Kraft.
- Am 1. März 2024 folgen dann sämtliche nationale Regelungen, die die Einwanderung für Fachkräfte nach Deutschland vereinfachen sollen. Hierzu zählen insbesondere die Anerkennungspartnerschaft und die Aufenthaltserlaubnis, welche bei ausgeprägter berufspraktischer Erfahrung erteilt werden kann.
- Zu guter Letzt wird ab dem 1. Juni 2024 dann die Einführung der neuen Chancenkarte erfolgen.
Das Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung wird auf drei Säulen beruhen. Wir zeigen, was sich dahinter verbirgt.
1. Die Fachkräftesäule:
Sie soll zentral sein und zielt auf internationale Fachkräfte, die im Ausland ein Hochschulstudium abgeschlossen haben, das in Deutschland anerkannt ist oder eine Berufsqualifikation im Ausland erworben haben, deren volle Gleichwertigkeit mit einem deutschen Abschluss im Berufsanerkennungsverfahren festgestellt wurde, oder in Deutschland ein Studium oder eine qualifizierte Ausbildung absolviert haben.
Diese Personen dürfen künftig in allen qualifizierten Berufen arbeiten – mit Ausnahme von reglementierten Berufen wie Heil-, Pflege- und Lehrberufe. Für diese Aufenthaltstitel sind ein Arbeitsplatzangebot beziehungsweise -vertrag und die Anerkennungsnachweise erforderlich. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, gibt es künftig einen Anspruch auf diesen Titel; daher können sie auch in Deutschland beantragt werden, wenn die Einreise mit einem entsprechenden Visum außerhalb des Erwerbskontextes erfolgt ist.
Zudem wurden die Bestimmungen für die Blaue Karte EU (EU Bluecard) im Zuge der Umsetzung der EU-Hochqualifiziertenrichtlinie angepasst. Der Geltungsbereich wird auf äquivalente Abschlüsse wie Meister, Techniker, Fachwirte sowie auf berufserfahrene Personen aus dem IKT-Bereich ausgeweitet. Die Mindestgehaltsgrenze wird auf 43.800 Euro beziehungsweise für Engpassberufe und Berufsanfänger auf rund 40.000 Euro abgesenkt (von derzeit 58.400/45.552 Euro). Erleichterungen gibt es unter anderem bei Familiennachzug, Arbeitgeberwechsel, Mobilität innerhalb der EU sowie Erlangung eines Daueraufenthalts EU.
Außerdem können wie bisher Personen einreisen, die in Deutschland eine Ausbildung absolvieren möchten und bereits einen Ausbildungsvertrag mit einem Unternehmen haben. Hier wurde – wie es bereits für Fachkräfte gilt – die Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit abgeschafft.
2. Die Erfahrungssäule:
Neu ist, dass künftig auch Personen ohne förmliches Anerkennungsverfahren in Deutschland als Fachkraft arbeiten dürfen. Vorausgesetzt wird eine im Herkunftsland staatlich anerkannte mindestens zweijährige Berufsqualifikation oder ein Hochschulabschluss und mindestens zwei Jahre Berufserfahrung. Bei nicht-reglementierten Berufen kann dann auf eine Anerkennung des Abschlusses verzichtet werden. Doch muss ein Mindestgehalt von rund 39.700 Euro gezahlt werden, von dem lediglich im Rahmen eines Tarifvertrags abgewichen werden darf. Die Tätigkeit darf nur in einem in Bezug auf die Berufserfahrung verwandten Beruf erfolgen. Wie bei der Fachkräftesäule wird das Vorliegen eines Arbeitsangebots oder -vertrags vorausgesetzt.
Wird eine Berufsanerkennung angestrebt, kann das Verfahren künftig in Deutschland durchgeführt werden, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich verpflichten, es im Rahmen einer so genannten Anerkennungspartnerschaft unverzüglich nach der Einreise zu starten und eine gegebenenfalls erforderliche Anpassungsqualifizierung durchzuführen. Währenddessen kann der Arbeitnehmer im Betrieb eine qualifizierte Beschäftigung ausüben.
3. Die Potenzialsäule:
Die dritte Säule, die Potenzialsäule, eröffnet Einreisemöglichkeiten für Personen, die ohne Angebot oder Vertrag zur Suche einer Arbeit, Ausbildung oder Qualifizierung einreisen möchten. Dafür wurde die neue Chancenkarte eingeführt, mit der man für zwölf Monate einreisen kann. Folgende Grundvoraussetzungen müssen immer erfüllt sein: ein gesicherter Lebensunterhalt, eine im Herkunftsland staatlich anerkannte mindestens zweijährige Berufsqualifikation oder ein Hochschulabschluss sowie mindestens Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1 oder B2- Englischkenntnisse. Zusätzlich müssen die Fachkräfte entweder eine volle Anerkennung ihres Berufs- oder Hochschulabschlusses oder mindestens sechs Punkte gemäß Chancenkarte vorweisen.
Kriterien für die Punktevergabe sind
- Qualifikation
- Berufserfahrung
- weitere Sprachkenntnisse
- Alter
- Deutschlandbezug sowie
- mitziehende Ehe- oder Lebenspartner
Möglich sind Probebeschäftigungen von jeweils zwei Wochen und eine Nebenbeschäftigung von maximal 20 Stunden pro Woche, die auch zu Unterhaltssicherung beitragen kann. Neben den drei Säulen der Fachkräfteeinwanderung gibt es weitere Möglichkeiten für Personen ohne Nachweis einer Qualifikation wie die Westbalkan-Regelung oder die neue kurzfristige kontingentierte Beschäftigung.
Fachkräfteeinwanderung - die wichtigsten Neuerungen im Überblick
Bisher: Beschäftigung von Fachkräften nur in verwandten Berufen möglich
Künftig: Beschäftigung in allen qualifizierten Berufen (nur bei Fachkräften mit förmlicher Anerkennung ihres Abschlusses)
Bisher: Einreise von Fachkräften mit in Deutschland anerkannten Berufsqualifikationen bzw. Hochschulabschlüssen möglich
Künftig: zusätzliche Möglichkeit der Einreise von Fachkräften mit ausländischer Berufsqualifikation/Hochschulabschluss und Berufserfahrung; kein förmliches Anerkennungsverfahren notwendig (gilt nur bei nicht-reglementierten Berufen)
Bisher: Niederlassungserlaubnis für Fachkräfte aus dem Ausland nach vier Jahren möglich
Künftig: nach drei Jahren möglich
Bisher: Aufenthaltsmöglichkeit für Fachkräfte mit Teilanerkennung zur Qualifizierung im Rahmen des Anerkennungsverfahrens
Künftig: Anerkennungspartnerschaft als neue zusätzliche Möglichkeit: gesamtes Anerkennungsverfahren kann in Deutschland durchgeführt werden
Bisher: Bei Fachkräften keine Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit
Künftig: Wegfall der Vorrangprüfung auch bei Auszubildenden
Bisher: Einreise zur Arbeitsplatzsuche für Fachkräfte mit Möglichkeit der Probearbeit von max. 10 Stunden/Woche und zur Ausbildungsplatzsuche ohne Möglichkeit der Probearbeit
Künftig: Neuer Suchtitel: Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems mit Möglichkeit einer Nebenbeschäftigung von bis zu 20 Stunden/Woche und jeweils 14-tägigen Probebeschäftigungen
Weitere Erleichterungen für IKT-Fachkräfte und mehr Möglichkeiten für Personen ohne Nachweis einer Qualifikation durch die Verstetigung und Erhöhung des Kontingentes der Westbalkanregelung sowie die neue kurzzeitige kontingentierte Beschäftigung.