EU-Whistleblowing-Richtlinie: Umsetzung vorbereiten

Die EU-Whistleblowing-Richtlinie hätte bis zum 17. Dezember 2021 in deutsches Recht umgesetzt werden müssen. Für Unternehmen ist sie zwar bis zur Umsetzung in deutsches Recht nicht direkt anwendbar, aber Vorbereitungen sollten getroffen werden. Hierfür finden Sie hier einige Tipps.

Das deutsche Umsetzungsgesetz gibt es noch nicht, nicht einmal als Referentenentwurf. Der Versuch eines solchen Umsetzungsgesetzes war in der vergangenen Legislaturperiode gescheitert. Nun muss das Gesetzgebungsverfahren von vorne neu beginnen. Angesichts des Wechsels des Bundesjustizministers von SPD zu FDP kann es sein, dass der künftige Referentenentwurf sich etwas von demjenigen unterscheiden wird, der inoffiziell in der letzten Legislatur geleakt worden war. Es ist jedenfalls damit zu rechnen, dass schon recht bald vorgelegt werden wird.

Viele Bestandteile des deutschen Umsetzungsgesetzes sind durch die EU-Whistleblowing-Richtlinie schon recht genau vorgegeben. Darauf kann man sich schon vorbereiten. Spielraum besteht aber insbesondere beim sachlichen Anwendungsbereich: Die Richtlinie regelt nur, dass Hinweise zu Rechtsverstößen gegen bestimmte EU-Rechtsakte (Richtlinien und deren nationale Umsetzung sowie Verordnungen) unter den Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzes fallen, aber der deutsche Gesetzgeber kann auch rein deutsches Recht bzw. bestimmte nationale Regelungen einbeziehen. Genau das war einer der Hauptstreitpunkte, der letztlich zum Scheitern in der letzten Legislaturperiode geführt hat.

Was bedeutet der Ablauf der Umsetzungsfrist für die Praxis?

Ob die Richtlinie für Unternehmen unmittelbar anwendbar ist, ist umstritten. Ganz überwiegend wird aber angenommen, dass dies nicht der Fall ist. Für Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten sieht die Richtlinie ohnehin eine Übergangsfrist bis Dezember 2023 vor, wenn der nationale Gesetzgeber das nicht anders regelt. Bei Unternehmen mit mehr als 249 Beschäftigten kann es sein, dass bei (arbeitsrechtlichen) Streitigkeiten vor Gericht die Wertungen der Richtlinie schon einfließen, wenn ein Arbeitnehmer dort vorträgt, in Folge eines von ihm gemeldeten Rechtsverstoßes des Unternehmens arbeitsrechtlich sanktioniert worden zu sein. Dabei müsste es sich dann aber auch gerade um einen Hinweis zu einem der in der Whistleblowing-Richtlinie genannten Verstoß gegen EU-Recht gehandelt haben.

Was können Sie schon jetzt vorbereiten?

Da das Gesetzgebungsverfahren wahrscheinlich recht zügig durchgeführt werden wird und Reaktionsfristen ggf. sehr kurz ausfallen, sollten schon jetzt Vorbereitungen getroffen werden, damit dann die erforderlichen Hinweisgebersysteme schnell funktionsfähig sein werden. Folgende Fragen sollten Sie daher schon jetzt klären:

• Welche Kanäle will ich einrichten? Telefonisch, E-Mail, webbasierte Lösung, Ombudsmann?

• Wie stelle ich sicher, dass nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch alle Personen das Hinweisgebersystem nutzen können, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem Unternehmen in Kontakt stehen – d. h. eigene Mitarbeiter, externe Geschäftspartner/Dienstleister/Auftragnehmer und deren Mitarbeiter.

• Wie will ich darüber informieren? Informationen zu den Meldemöglichkeiten und dem Verfahren müssen klar und leicht zugänglich sein, zum Beispiel über die Unternehmenswebseite und im Unternehmens-Intranet/Schwarzen Brett.

• Wie macht man das Hinweisgebersystem Beschwerdeführern einerseits so schmackhaft, dass sie sich mit Meldungen nicht gleich an die externe Behörde oder gar an die Presse wenden, sondern den internen Kanal nutzen, aber andererseits auch so, dass von missbräuchlichen Beschwerden und Denunziantentum abgeschreckt wird?

• Wie stelle ich Vertraulichkeit sicher? Das ist z. B. bei einem Meldekanal per E-Mail schwierig, da nicht einmal der IT-Administrator auf eine solche E-Mail Zugriff haben dürfte.

• Wer soll zuständig sein für die Entgegennahme der Hinweise? Wer hat Zugriffsrechte für die Bearbeitung von Beschwerden? Wie und durch wen werden Beschwerden nach dem Eingang weiterbearbeitet? Es darf jedenfalls nicht passieren, dass bei Eingang eines Hinweises erstmal im Haus an verschiedenen möglichen Stellen nachgefragt wird, wer sich weiter darum kümmert – dies wäre mit dem Vertraulichkeitserfordernis nicht vereinbar.

• Wer versendet fristgerecht die Eingangsbestätigung an den Hinweisgeber?

• Will ich auch anonyme Meldungen ermöglichen oder nicht? Eine Pflicht dazu besteht nicht.

• Datenschutzrechtliche Fragen mit Datenschutzbeauftragtem klären

• Personalvertretung/Betriebsrat einbeziehen, auch für die Kommunikation über das Hinweisgebersystem.

• Kann ich das alles selbst oder brauche ich externe Hilfe? Aktuell bieten sehr viele Berater und Verkäufer von Softwarelösungen ihre Dienste an. Diese Dienstleistungen mögen auch für Ihr Unternehmen ggf. interessant sein; wissen muss man allerdings, dass auch dabei wahrscheinlich mit dem deutschen Umsetzungsgesetz noch Anpassungsbedarf entstehen wird.

• Bei Konzernstrukturen: Laut Aussagen der EU-Kommission reicht es nicht, wenn es ein Konzern-Hinweisgebersystem für alle konzernzugehörigen Tochterunternehmen gibt. Vielmehr benötigt jedes Tochterunternehmen ein eigenes Hinweisgebersystem, zumindest wenn das Tochterunternehmen mehr als 249 Beschäftigte hat. Hier ist zu überlegen, ob und inwieweit für die Tochterunternehmen zwar ein eigenes (Schmalspur-) Hinweisgebersystem eingerichtet wird, die Beschäftigten der Tochterunternehmen aber auch das konzernweite Hinweisgebersystem nutzen können. In der Kommunikation könnte dann auf die größere Erfahrung mit der Hinweisbearbeitung und weitere praktische Anwendungsvorteile bei der Nutzung des Konzern-Hinweisgebersystems hingewiesen werden. Auch das gilt es vorzubereiten.

• Personalabteilungen sollten sich auf die verschärften Beweislastregeln vorbereiten. Sie werden künftig beweisen müssen, dass nicht der Hinweis zu der jeweiligen arbeitsrechtlichen Maßnahme geführt hat, sondern dass es dafür andere Gründe gab. Eine entsprechende Dokumentation von Gründen für arbeitsrechtliche Sanktionen ist insofern hilfreich, wobei sicher der Aufwand einer solchen (noch umfangreicheren) Dokumentation und das Risiko von Beweisschwierigkeiten nach Hinweisen immer abgewogen werden müssen.

Wer schon ein Hinweisgebersystem hat, sollte anhand der Richtlinie einmal prüfen, ob die dortigen Anforderungen bereits erfüllt werden. Gegebenenfalls können schon jetzt einige Anpassungen vorgenommen werden. Spätestens wenn das deutsche Umsetzungsgesetz vorliegt, wird es sicherlich weiteren Anpassungsbedarf geben, zumal in jedem Fall die Kommunikation für Arbeitnehmer und die für die Hinweisbearbeitung zuständigen Personen geändert werden muss.

Quelle: DIHK