Julia Braun, Unternehmerin und Mehrfachgründerin, berichtet von ihrer Reise in die Selbstständigkeit – und davon, warum Frauen beim Gründen oft höhere Hürden überwinden müssen.
Wenn ich heute auf meine unternehmerische Reise zurückblicke, sehe ich viele Entscheidungen, Höhen, Tiefen – und vor allem: Freiheit. Als Mehrfachgründerin und Unternehmerin aus Bad Neustadt habe ich erlebt, wie erfüllend es ist, eigene Ideen Wirklichkeit werden zu lassen. Ich bin jeden einzelnen Schritt selbst gegangen: von der ersten Produktidee über die Entwicklung, das Branding, die Markteinführung – bis hin zum Moment, in dem unsere Produkte schließlich in den Supermarktregalen standen. Eine meiner Marken – ein Unternehmen in der Pet-Branche – durfte ich nach nur fünf Jahren erfolgreich an eine renommierte Aktiengesellschaft verkaufen. Wir wurden mit unserer Marke zu einer der besten Deutschlands gekürt, ein Meilenstein, der mir nicht nur wirtschaftlich, sondern auch emotional einen immensen Push gegeben hat weiterzumachen. Denn wer einmal erlebt hat, was alles möglich ist, wenn man sich traut, weiß: Frauen können alles erreichen – sie müssen nur eines tun: starten.
Mich hat damals vor allem der Wunsch nach Unabhängigkeit motiviert, den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen. Ich wollte mein eigenes Tempo bestimmen, eigene Strukturen schaffen, eigene Visionen umsetzen. Die heutige Zeit bietet uns Frauen so viele Chancen wie nie zuvor: Wir können Netzwerke nutzen, digitale Tools einsetzen, neue Geschäftsmodelle testen und mit unserer Kreativität ganze Märkte verändern. Es stehen uns tatsächlich alle Wege offen – zumindest theoretisch.
In der Praxis brauchen Frauen mehr Mut als Männer
In meinen Gesprächen mit angehenden Gründerinnen fällt immer wieder auf, dass sich Frauen oft erst dann trauen, wenn sie das Gefühl haben, perfekt vorbereitet zu sein. Sie analysieren länger, wägen ab, stellen sich selbst infrage – während Männer häufig einfach machen. Dieses „Sich erst sicher fühlen wollen“ kann lähmen, obwohl es gar nicht notwendig ist. Kein Businessplan der Welt schützt vor Fehlern, kein Marktcheck ersetzt die Erfahrung, ins Tun zu kommen. Und doch: Dieses Streben nach Sicherheit ist tief verankert, gesellschaftlich, kulturell und oft auch familiär geprägt.
Hinzu kommt ein Mangel an sichtbaren weiblichen Vorbildern. Natürlich gibt es sie, die erfolgreichen Gründerinnen, die kreativen Unternehmerinnen, die mutigen Selbstständigen. Aber sie bekommen noch immer nicht dieselbe Bühne, denselben Applaus, dieselbe Selbstverständlichkeit zugesprochen wie ihre männlichen Kollegen. Sichtbarkeit ist aber entscheidend: Denn wer sich wiedererkennt, kann sich leichter identifizieren – und schließlich selbst losgehen.
Was ich heute immer wieder beobachte – und das stimmt mich positiv –, ist, dass immer mehr Frauen den Wunsch verspüren, sich selbst zu verwirklichen. Es geht nicht nur um das große Business, sondern um die Frage: Wie möchte ich leben und arbeiten? Die Selbstständigkeit bietet hier einen Gestaltungsspielraum, den kaum kein Angestelltenverhältnis geben kann.
Natürlich ist Gründen kein Selbstläufer. Es braucht Mut, Disziplin, ein gutes Netzwerk und die Bereitschaft, an sich zu glauben. Auch dann, wenn es mal Gegenwind gibt. Aber genau hier liegt die Chance: Frauen gründen oft mit einem hohen Maß an Empathie, Weitblick und Verantwortungsbewusstsein. Das macht ihre Unternehmen nicht nur wirtschaftlich erfolgreich, sondern auch gesellschaftlich relevant. Ich selbst habe diese Erfahrung gemacht: Mit einer Fitnesskette, die ich als Mitgründerin aufgebaut habe, wurden wir als „Arbeitgeber der Zukunft“ ausgezeichnet. Ein Zeichen dafür, dass wir verstanden haben, wie wichtig moderne Arbeitswelten und echte Werteorientierung heute sind. Gerade solche Ansätze zeigen, dass Mut zu neuen Wegen und das Vertrauen in die eigene Vision echte Wettbewerbsvorteile schaffen können.
Julia Braun